Da ist noch mehr drin...
Vom Impuls
zur Handlung
Von der Improvisation
zur Szene
Von der Rolle
zur Figur
Tschechow, Gärung der Gemüter
Foto: (c) Sinn und Ton | 2004
Schauspiel- Werkstatt...
...für fortgeschrittene Anfänger
Grundübungen zum schauspielerischen Ausdruck, zur Wahrnehmung von Raum, Impuls, Situation und Ästhetik
In dieser Werkstatt werden wir in erster Linie mit Improvisationen arbeiten (unter anderem mit den Techniken des „Theatersports“*) und daraus unser Szenenmaterial entwickeln.
Eine Absicht der Werkstatt ist es, den Darstellern zu helfen, ihre Spielimpulse, ihren eigenen Ton zu finden und weiterzuentwickeln und so die eigene Ausdruckskraft zu erweitern
*Theatersport hat nichts mit „Leibesübungen“ zu tun, sondern ist eine spielerische Form der szenischen Improvisation.
Ein Technik beim "Theatersport" besteht darin, daß vom Publikum Vorschläge gemacht werden, welche Ausgangssituation die Improvisation haben soll, die dann sofort anschließend von den Spielern begonnen wird.
Z.B. Wer, Wo, Was, (und: Wie - auch das ist möglich, wenn man zum Beispiel vorgibt, daß die Improvisation wie ein ein Western, eine Operette, ein rosaroter Liebestraum gespielt werden soll, oder in der Phantasiesprache "Gibberish", oder daß die Figuren keine Wörter mit K benutzen dürfen...)
Durch diese Einschränkungen ist der "Kopf" der Spieler auf diese Aufgabe konzentriert, und das verhindert, daß ihr "Bewußtsein" der Kreativität im Wege steht.
Denn:
Es ist unser Kopf (und in ihm vor allem) unser antrainiertes "Gut-sein-wollen", "Der-Erwartung-entsprechen-wollen", unsere Angst, als "anders-als-die-anderen" erkannt zu werden, kurz: unsere Eitelkeit, die uns am Spielen hindert.
Wenn ich als Spieler nicht weiß, wohin mit meinen Händen, dann verrät das dem Zuschauer, daß ich nicht spiele, sondern Angst habe, mit meinen Hände meine Unsicherheit zu verraten (z.B. meine Angst "langweilig" zu sein).
Also versuche ich, die Hände zu verstecken, oder mit ihnen "Bedeutung" zu malen.
Und genau das ist dann das Langweilige für den Zuschauer (und für mich selbst). Denn es erzählt eine Geschichte, über einen Spieler, der sich selber quält, anstatt mit den Zuschauern gemeinsam eine spannende Geschichte zu erleben...
Diese Grundgedanken hat zuerst die amerikanische Schauspieltrainerin Viola Spolin in den 50er Jahren formuliert und in ihrem Buch "Improvisation for the Theatre", © 1963 zusammengefasst. Das Buch ist inzwischen auch in deutscher Sprache erschienen
Mehr Anregungen zum Improvisieren >
Für Fragen und Anregungen stehe ich ab dem 1.8. zur Verfügung.
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Internationale Bildungsstätte Scheersberg
...ein paar Denkanstöße
zitiert nach Keith Johnstone, dem ehemaligen Direktor des Royal Court Theatre in London, der den Begriff des "Theatersports"© geprägt hat.
(Keith Johnston: "Improvisation und Theater", "Theaterspiel“, beide: Alexander-Verlag, Berlin)
Das ist der Kern von Johnstones Lehre: Deine Phantasie ist nicht impotent, solange du nicht tot bist; du bist nur eingefroren. Schalte den verneinenden Intellekt aus und heiße das Unbewußte als Freund willkommen. Es wird dich an Orte führen, die du dir nicht hast träumen lassen, und es wird Dinge hervorbringen, die origineller sind, als alles, was du erreichen könntest, wenn du Originalität anstrebst.
Keith Johnstone im Gespräch
Foto: Ronald Spratte | Theaterhaus Berlin
*Alles, was hier über das Improvisieren gesagt wird, über das "Geschichtenerzählen", gilt natürlich auch für die Form der szenischen Improvisation, wie wir sie auf jeder Probe erleben, auf der wir versuchen unsere Rollen, unsere Szenenrealisierung zu finden. Denn auch das Spielen "geschriebener, vorgefasster Stücke" ist letztlich ein "Geschichtenerzählen" über das, was der Dramatiker geschrieben hat und das, was wir dabei erleben. Irving Wardle
GESCHICHTENERZÄHLEN
Der Improvisierer (oder der Schauspieler auf der Probe...)*kommt aus der Tretmühle, immer noch einen "besseren Witz" finden zu müssen, nicht heraus, wenn er nicht die Fähigkeiten entwickelt, eine Geschichte zu erzählen.
Geschichten bewegen sich von der Beständigkeit zum Chaos".
Ihre Struktur entsteht, indem z.B. Rätsel eingebaut und gerechtfertigt werden.
Wenn der Kopf des Improvisierers die Kontrolle behalten will, wird er das Rätselhafte meiden, das Geheimnisvolle enträtseln, bevor es außer Kontrolle geraten könnte.
Improvisierer meiden oft die Phantasiegefahren, als seien sie wirkliche.
Aber das entzweit sie mit den Zuschauern.
Der Schauspieler will für sein gutes Aussehen bewundert werden, aber wir wollen ihn mit seinem Auto eingeschlossen auf dem Grunde des Sees sehen; die Spielerin will als "süß" angesehen werden, aber wir wollen sehen, wie sie von einem psychopathischen Vergewaltiger verfolgt wird.
Jemand ruft:
"Vorsicht, ein Hai!" - Nur um gesagt zu kriegen:
"Ist schon in Ordnung, das ist bloß ein Stück Treibholz..."
Eine Spielerin fragt:"Was ist das für ein Geräusch im Keller??"
Und sie bekommt die Antwort:
"Liebes, wie oft muß ich Dir noch sagen, daß wir keinen Keller haben!"
Das bringt zwar einen Lacher, aber jetzt werden die Spieler nie die furchteinflößenden Stufen heruntersteigen müssen...
Solche Manöver bringen die Spieler immer wieder an den Ausgangspunkt zurück, und sie fühlen sich untalentiert und phantasielos.
Wenn die Spieler nicht pausenlos daran denken, "originell" zu sein, und stattdessen den Zuschauern das bieten, was diese erwarten, lohnt es sich, ihnen zuzuschauen...
Einfälle herauszukramen, die außerhalb des Rahmens liegen, den der ursprüngliche Handlungsvorschlag vorgibt, ist falschverstandenen Originalität
Kein Mensch möchte sinnlose Geschichten, aber nur wenige von uns können erklären, was "Sinn" eigentlich bedeutet.
Hier ist eine sinnlose Geschichte:
"Rotkäppchen trägt einen Korb mit Plätzchen zur Großmutter.
Sie pflückt ein paar Blumen für die Großmutter.
Die Großmutter bewundert sie und stellt sie in eine Vase."
Jeder Dreizehnjährige würde sich beschweren, daß das keine "richtige" Geschichte ist, also laßt uns einen Konflikt hinzufügen.
"Rotkäppchen trägt einen Korb mit Plätzchen zur Großmutter.
Sie begegnet einem Wolf, der sie auffrißt.
Die Großmutter ist sehr traurig."
Kleine Kinder werden so etwas als doof abtun, denn sie werden mit dem Wissen geboren, daß "Sinn" erzielt wird, indem auf früher eingeführtes Material zurückgegriffen wird (obwohl sie es, sobald sie ihren Doktor machen, wieder vergessen haben).
Die Zuschauer schaffen eine Schattengeschichte, die neben der Geschichte (der Improvisation) besteht. Von allem, worauf man ihre Aufmerksamkeit lenkt, erwarten sie, daß es später von Bedeutung sein wird. Geschichtenerzählen funktioniert sehr gut, wenn es zwischen der Geschichte der Spieler und der Schattengeschichte eine Verbindung gibt. (Das ist das "vorwärtstreibende", das eigentliche "dramatische" Element)
Frage: Warum frißt der Wolf Rotkäppchen nicht gleich im Wald, statt sie es fürs Dessert aufzuheben?
Antwort: Der Wolf muß muß die Großmutter zuerst fressen, denn wir sind gespannt darauf, wie Rotkäppchen wieder in die Geschichte eingebaut wird (wird Rotkäppchen zuerst gefressen, ist die Spannung gleich Null).
Autoren können das Material, das nicht wert ist, wiedereingeführt zu werden, später streichen.
Improvisierer haben diesen Luxus aber nicht. Deshalb sollten sie immer darauf erpicht sein,Material wiedereinzuführen. Zuschauer sind für jedes wiedereingeführte Material dankbar.
Eine sinnlose Geschichte ist eine Geschichte, in der frühere Ereignisse nicht rekapituliert werden, oder eine, in der die Wiedereinführung verpfuscht wird.
Eine perfekte Geschichte ist eine Geschichte, in der das gesamte Material wiederverwendet wird. (Eine perfekte Geschichte kann dennoch sehr langweilig sein, wenn der Held nicht auf zufriedenstellende Weise mißhandelt wird).
GEHEIMNISSE
Geheimnisse sind Zeitbomben, von denen erwartet wird, daß sie später in der Geschichte explodieren:
Das Versprechen der Prinzessin wird dann zum "Kracher", wenn der Frosch zu ihr ins Bett springt,
die Fußspuren im Sand ticken vor sich hin, bis Robinson Crusoe die Menschenfresser sieht.
Fängst du irgendeine Aktivität an, zum Beispiel einen Polstersessel ausklopfen, schenken dir die Zuschauer ihre volle Aufmerksamkeit: ein Kredit, von dem sie erwarten, daß er mit Zinsen zurückgezahlt wird. Wenn du jetzt mit Ausklopfen aufhörst und das Licht ausgeblendet wird, fühlen die Zuschauer sich betrogen, selbst wenn du vorher zu Musik Staub geklopft hast und ein paar Lacher erhalten hast.
Die Zuschauer hatten gedacht, daß das "Rätsel des Staubklopfens" gelöst würde. Aber es fand sich kein Liebesbrief oder ein Buch mit Zauberformeln in den Polstern und der Stuhl sagte nicht:"Ah, tut das gut, mach das bitte nocheinmal!"
Sobald die Zuschauer nicht mehr daran glauben, daß ein Geheimnis aufgedeckt wird, werden die Fäden, die ihre Aufmerksamkeit fesseln, zerreißen...
Die ROUTINE UNTERBRECHEN
Anfänger fühlen sich unkreativ, wenn eine Aktivität sich ihrem Ende nähert, und manche versuchen, dies auszugleichen, indem sie etwas wirklich "Cleveres" wählen, zum Beispiel in einem von Haien wimmelnden Pudding tauchen gehen. Aber das hilft ihnen auch nicht. Das Publikum denkt. Na gut, sie tauchen in einem von Haien wimmelnden Pudding - und dann?
Um dieses Problem zu lösen, wollen wir alles, was die Improvisierer tun als "Routine" bezeichnen, zum Beispiel ein Buch lesen*, Blumen gießen*, Geschirr spülen*, was auch immer...
Die Zuschauer bezahlen Geld, um zu sehen, wie eine Routinehandlung unterbrochen wird. (Deshalb fühlen sich Improvisierer unkreativ, wenn eine Handlung sich dem Ende nähert.)
Fangt mit irgendeiner Routine an, - auch wenn sie noch so langweilig ist, und die Zuschauer werden geduldig warten, in der Hoffnung, daß ihr die Routine unterbrechen werdet. Die Routine '*Blumen gießen' wird unterbrochen, wenn die Blume "Danke" sagt.
Das Publikum sieht eine Routine, die nicht unterbrochen wird, als Einleitung zu einer Routine, die unterbrochen wird.
Der Spiegel sagt der Königin, daß sie die schönste Frau im Land ist.
Das ist eine Einleitung, da das In-den-Spiegel-sehen abgeschlossen ist.
Eines Tages sagt der Spiegel, daß Schneewittchen die schönste Frau im Königreich ist.
Dies unterbricht die Routine des In-den-Spiegel-sehens.
Mit Listen von Routinetätigkeiten kann man üben, sie zu unterbrechen...
Ein Buch lesen
Geschirr spülen
Gras mähen
Man braucht nicht mehr Talent, solche Routinetätigkeit zu unterbrechen, als man braucht, um sie aufzuschreiben.
Beispiel
Du liest ein Buch, in dem jemand beschrieben wird, der sich in genau der gleichen Situation befindet, wie du. Du liest, daß ein Mörder in das Haus einbricht. Im nächsten Moment hörst du hinter Dir eine Scheibe klirren...
Du spülst das Geschirr und hörst plötzlich eine Stimme aus dem Abfluss
Du mähst Gras und schneidest eine Schlange entzwei, die dir mit dem letzten Atemzug zuflüstert, sie habe eine Botschaft für dich...
Das "Offensichtliche" und das "Originelle":
Du sagst, wir sollen nicht versuchen "originell" zu sein, sondern "das Offensichtliche" machen. Aber heißt denn "die Routine unterbrechen" nicht, originell sein zu wollen??
Das hier gemeinte "Originell sein" heißt: Man bringt externes Material in die Szene hinein, das ist dann aber ein Angriff auf die innere Folgerichtigkeit der Szene und bringt die Handlung zum Entgleisen.
"Offensichtlich sein", heißt dagegen in diesem Zusammenhang, das zu enthüllen, was latent in einer Szene steckt.
Das Offensichtliche zu wählen ist das, was du getan hättest, hätte man dir nicht beigebracht, "clever" zu sein, oder "künstlerisch" oder was immer.
Offensichtlich zu sein, scheint so leicht zu sein, daß du denkst, es kann keine Bedeutung haben. Und doch würde deine "Offensichtlichkeit" dein wahres Ich ausdrücken, wogegen "originell sein" dein wahres Ich verschleiert, weil nur etwas imitiert wird, was vorher als originell definiert wurde.
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Zum Beispiel:
"Nehmen wir an die Routine ist "eine Kartoffel schälen". Intuitiv weißt du, daß das Publikum sich betrogen fühlen wird, wenn du die Tätigkeit einfach zuende führst (warum ins Theater gehen, um jemanden eine Kartoffel schälen zu sehen)
Also läßt du die Kartoffel liegen und siehst nach einer originelleren Idee: Das Geschirr abwaschen, oder ans Telephon gehen... Dadurch wird die Kartoffel zu einem bloßen Vorspiel."
"Wie kann 'ans Telephon gehen' originell sein?"
"Es ist originell, weil es die Handlung in eine andere Richtun lenkt. Das Publikum interessiert sich nicht für das Telephon oder für den Abwasch; es interessiert sich für die Kartoffel, es möchte die Routine durch einen willkürlichen Schritt, der mit dem Akt des Kartoffelschälens zu tun hat, unterbrochen sehen. Du könntest dich in den Finger schneiden und nach einem Pflaster laufen oder den abgehackten Finger suchen, und das Publikum würde denken: ~Ah! Jetzt sehen wir die Pointe des Kartoffelschälens!~ Oder die Kartoffel könnte anfangen zu quieken unter dem Messer - das Geräusch könnte ein Teamkamerad beisteuern (oder du könntest bauchreden). Dies brächte ein Rätsel und Schmerz in die Szene und würde >Aktion< schaffen, indem es das Verhältnis zwischen dir und der Kartoffel verändert!*
»Es ist also falsch, nach 'guten Ideen' zu suchen?«
»Es gibt keine guten Ideen!~«
»Natürlich gibt es die!«
»Nicht, wenn sie isoliert stehen! Das ist das gleiche, wenn man von Hebeln spricht, ohne zu wissen, wofür sie eingesetzt werden sollen - ein abgebranntes Streichholz ist sicherlich besser geeignet, um einen auf dem Rücken liegenden Käfer aufzurichten, als eine Brechstange.«
Die meisten Leute wären völlig gelähmt, fragte man sie nach komischen Ideen über die Holzindustrie, doch ist das Problem so formuliert: »Unterbrich die Routine, einen Baum zu fällen«, bieten sich jede Menge Ideen von selbst an.
- Du fängst an zu schlagen und merkst nicht, daß jemand in den Zweigen sitzt.
- Du siehst das Herz und die Initialen, die du vor zwanzig Jahren in die Rinde geritzt hast.
- Ein Vogel bittet dich, seine Jungen zu verschonen. -
-Der Baum blutet, und der Blutschwall spült dich weg.
- Der Baum verspricht dir die Erfüllung von drei Wünschen.
- Der Baum bewegt sich weg, gerade als du ihn fällen willst.
- Die Axt wird bei jedem Schlag schwerer.
- Der Baum schreit, und es stellt sich heraus, daß es ein getarnter Naturphotograph ist.
-
Du versuchst »Achtung!« zu rufen, wenn der Stamm fällt, und
stellst fest, daß du deine Stimme verloren hast, und du kannst deine Kollegen nicht retten. ;
Alle diese Ideen sind »offensichtlich«**, denn sie bleiben am Baum,
während eine »originelle« Idee uns von dem Baum wegführen würde.
Man kann es in Gedanken üben:
Stell dir vor, du »putzt dir die Zähne«, und sie zerkrümeln unter der Zahnbürste.
Oder du stellst fest, daß es nicht dein Gesicht ist im Spiegel.
Oder stell dir vor, du klopfst an eine Tür, und deine Faust verschwindet in der Tür, und
du merkst, daß du ein Geist bist. *
Die Zuschauer glauben, daß der Improvisierer ihnen ein Geschehen vorstellt (eine Routine), weil er oder sie plant, sie zu unterbrechen.
Eine Routinehandlung, die vollständig ausgeführt wird, gilt als Einführung in eine Routinehandlung, die nicht vollständig ausgeführt wird. ~
Vorwärtsgehen
Vorwärtsgehen zwingt den Spieler dazu, eine Handlung interessanter zu gestalten und sie dann in eine willkürliche Richtung vorwärts zu bringen. Vorwärtsgehen sollte nicht mit »Überbrücken« verwechselt werden. Spieler, die überbrücken, versuchen ihre Ankunft an einem festgelegten Ziel hinauszuschieben, während ein Vorwärtsgehen immer ein Schritt ins Unbekannte ist.
Detail und Ausdauer
Charlie Chaplin betonte die Notwendigkeit, eine innere Einstellung zu haben, und Stan Laurel und Oliver Hardy sprachen davon, wie wichtig Schmerz *ist.
Doch wie hat Buster Keaton sich ausgedacht, ausweglos in einem Schaufelrad laufen zu müssen wie ein Hamster im Tretrad? Und wie kam Chaplin auf die Hütte, die in GOLDRAUSCH über dem Abgrund hängt? (Ich las ein Interview mit jemandem, der behauptet, daß die Idee von ihm stammt, es ist aber nicht die über den Klippen hängende Hütte, was daran besonders ist- das Erstaunliche ist die Eisscholle zwischen den beiden Türen, die die Figuren in einem Alptraum gefangenhält.)
Diese stummen Komiker schenkten unbedeutenden Details die größte Aufmerksamkeit.
Chaplin als Kellner schneuzt sich in die Serviette, bevor er sie glattstreicht und einem Gast umlegt. Wenn er »Geschirr spült«, läßt er einen Hund die Teller sauberlecken und steckt sie dann in eine Wäschemangel, um sie zu »trocknen«. Als Barbier schlägt er den Rasierschaum im Takt von Musik und kostet ihn, oder er steckt den Pinsel dem Kunden in den Mund, während er das Messer schleift, oder er findet eine Fliege im Rasierschaum und rettet sie - und versucht dann vielleicht sogar, die Fliege zu rasieren.
Zu dieser Beschäftigung mit dem Detail kommt eine unheimliche Ausdauer hinzu. Keaton will sich mit Patiencen-legen wachhalten, und er mischt die Karten und legt sie aus, auch als sie von der Nässe schon völlig aufgeweicht sind. Stan und Ollie versuchen einen Flügel mit einem abgebrochenen Bein zu halten. Das Pferd (das zufällig auf dem Flügel steht) schlägt Stans Hut herunter, und Stan bückt sich, um ihn aufzuheben, so daß Ollie das Gewicht des Flügels (plus des Pferdes) allein tragen muß. Passiert das einmal? Nein, es passiert immer und immer wieder und treibt Ollie allmählich zur Verzweiflung.
Viele Filme von Stan und Ollie basieren in ihrer gesamten Länge auf Dingen wie »ein Klavier die Treppe hochtragen« oder »eine Antenne auf dem Dach anbringen«. In einem Film halten sie an einer Kreuzung und werden von einem Verkehrspolizisten weitergewunken. Sie mißverstehen die Geste, steigen aus und gehen zu dem Polizisten hin:
»Zurück ins Auto!« ruft der Polizist, und sie gehorchen. Er bedeutet ihnen weiterzufahren.
Verblüfft steigen sie wieder aus und laufen wieder zu ihm hin (während der Verkehr sich staut). Diese Handlung (»den Verkehrspolizisten falsch verstehen«) macht den größten Teil des Films aus.
Und doch ... Wenn das Geheimnis* allein in der Wiederholung liegen würde, würden wir uns über jemanden, der tagein, tagaus Tüten klebt oder Fische ausnimmt, scheckig lachen.
Lernen, nicht vorwärtszugehen
In einer der allerersten Unterrichtsstunden im Studio bat ich einen Freiwilligen, "mit einer Handlung zu beginnen". Er mimte, einen Hund zu füttern.
»Mach die Handlung interessanter«, sagte ich. Er mimte, daß der Hund weglief.
»Was tust du jetzt?« fragte ich.
»Ich rufe meinen Hund.«
Es war, als hätte ich gesagt:
»Beginne mit einer interessanteren Handlung!«, aber niemandem fiel auf, daß eine Handlung durch eine andere ersetzt worden war.
Ich bat einen Schauspieler, eine Handlung zunächst in Worten zu beschreiben (»Damit wir wissen, wenn du sie veränderst«).
»Ich lese die Zeitung.«
»Mach die Handlung >eine Zeitung lesen< interessanter«,
Er mimte, eine Telephonnummer zu wählen.
»Was machst du jetzt?«
»Ich sage das Picknick ab, weil die Wettervorhersage Regen meldet.«
»Das ist aber doch eine andere Handlung. Bleib beim Zeitungslesen.«
»Du meinst, ich darf die Handlung nicht abschließen?«
»Genau.«
»Aber was soll ich tun?«
»Eine Nachricht in der Zeitung erweckt dein Interesse.«
Er starrt in die Zeitung und versucht, überrascht auszusehen.
»Wie war ich?«
»Gut. Jetzt versuche, die Handlung noch interessanter zu machen.«
»Noch interessanter?«
»Du stellst fest, daß du einen kleingedruckten Artikel nicht lesen kannst, und nimmst eine Lupe aus der Schublade«
»Und das ist keine neue Handlung?«
»Nein, finde ich nicht, denn schließlich liest du ja immer noch Zeitung«....
Du liest ein Buch und ...findest das verlorene Testament zwischen den Seiten
... und entdeckst, daß deine Frau alle Stellen unterstrichen hat, die von Männerhaß handeln...
... und stellst fest, daß es deine eigene Lebensgeschichte ist, und du weißt nicht, ob du den Mut hast, es zuende zu lesen...
Hier einige Fragen und Antworten vorweg:
Müssen wir bei den Improvisationen plattdeutsch sprechen?
Nein. Es geht bei diesem Wochenende um's Spielen, und spielen tut man in der Sprache, in der einem der Schnabel gewachsen ist.
Dürfen wir bei den Improvisationen Plattdeutsch sprechen?
Selbstverständlich. Es geht bei diesem Wochenende um's Spielen, und spielen tut man in der Sprache, in der einem der Schnabel gewachsen ist...
... oder in einem Mischmasch von Hochdeutsch und Plattdeutsch. Oder in einer Phantasiesprache.
ABER: Es kann eine reizvolle Theatersport-Aufgabe sein, eine Szene nur in Plattdeutsch zu improvisieren.
Hier werden in den nächsten Wochen noch mehr Fragen und Antworten auftauchen...
Also schaut öfter mal herein.
Fragen und Anregungen könnt Ihr auch im Gästebuch formulieren.
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